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E.T.A. Hoffmann-Sammlung und Portal
Unheimlich Fantastisch!
E.T.A. Hoffmann (1776–1822) war einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit – mehr noch: einer der wenigen echten Bestsellerautoren, die auch im Ausland anerkannt wurden. Er war mit vielen Talenten begabt, aber zwischen seinen Berufungen hin- und hergerissen. So brillierte und scheiterte er als Dichter des Schauerlichen und Fantastischen, als Zeichner und schonungsloser Karikaturist, als Komponist und Musikkritiker, als Theaterdirektor und preußischer Richter. Die Staatsbibliothek zu Berlin besitzt eine weltweit einzigartige Sammlung zu E.T.A. Hoffmann, darunter Musikautographe, Briefe, Erstausgaben und illustrierte Bücher. Sie wird seit 2015 durch das E.T.A. Hoffmann Portal digital erschlossen und zugänglich gemacht.
E.T.A. Hoffmann (1776–1822) ist heute als Bestsellerautor der Romantik bekannt. Doch er war weit mehr als das:
„Die Wochentage bin ich Jurist und höchstens etwas Musiker, sonntags, am Tage wird gezeichnet, und abends bin ich ein sehr witziger Autor bis in die späte Nacht.— Noch die letzte Szene … und dann zu Bette — Himmel schon halb 12!“
E.T.A. Hoffmann an Theodor Gottlieb von Hippel, 23. Januar 1796
Die Staatsbibliothek zu Berlin bewahrt eine der weltweit größten E.T.A. Hoffmann-Sammlungen. Ihr Grundstock war ein Geschenk: Hoffmanns Witwe Michaelina übergab dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. 1847 die verbliebenen Musikautographe ihres verstorbenen Mannes. Seitdem sind viele originale Manuskripte, Briefe und Erstausgaben, illustrierte Bücher, Buchobjekte und Forschungsliteratur hinzugekommen.
Unheimlich Fantastisch – E.T.A. Hoffmann 2022
Nur bis zum 16. April 2023 zu sehen: XXL-Leporello ‚Les Corridors de Theodore‘ von Claire Illouz
Künstler:innen aus aller Welt beschäftigen sich seit dem frühen 19. Jahrhundert mit E.T.A. Hoffmann und lassen sich durch seine Bildwelten und Ideen für ihr eigenes Werk inspirieren. An der Ausstellung ‚Unheimlich Fantastisch – E.T.A. Hoffmann 2022‘ haben sich internationale Künstler:innen verschiedener Genres beteiligt, die bisher zum Teil keine direkten Berührungspunkte mit Hoffmann hatten, deren Werk aber atmosphärisch, motivisch oder stilistisch so stark an ihn erinnert, dass eine Verbindung zu spüren ist. In der konkreten Auseinandersetzung mit Texten und biografischen Informationen sind Gedanken und Verknüpfungen entstanden, die sich in neuen Kunstwerken manifestiert haben, darunter eine Abwandlung der Automaten-Installation ‚The Apparatus‘ von Oliver Chanarin, die wandfüllende multimediale Grafik ‚Liebe, Wahn und Ewigkeit‘ der Berliner Schriftstellerin Emma Braslavsky oder das XXL-Leporello ‚Les Corridors de Theodore‘ der französischen Buchkünstlerin Claire Illouz.
Claire Illouz
Les Corridors de Theodore
2023
Das Künstlerbuch der französischen Buchkünstlerin Claire Illouz entstand im Auftrag der Staatsbibliothek zu Berlin. Illouz besuchte die drei Standorte der Ausstellung „Unheimlich Fantastisch – E.T.A. Hoffmann 2022“ in Berlin, der Bamberg und Frankfurt am Main. Ihre Eindrücke beim Besuch der Ausstellungen und ihre Auseinandersetzung mit dem Werk E.T.A. Hoffmanns inspirierten ihr Künstlerbuch. Illouz‘ Arbeiten zeichnen sich durch eine individuelle, sehr dynamische und moderne Visualisierung des Unheimlich-Fantastischen aus, die unmittelbar die Emotionen der Betrachtenden anspricht.
E.T.A. Hoffmann inspiriert
E.T.A. Hoffmann ließ sich von der Literatur zum Komponieren inspirieren, Gemälde regten ihn zum Schreiben an und Musik wiederum zum Zeichnen. Seine Kreativität scheint unerschöpflich gewesen zu sein. Dieser Schaffensdrang wirkt nach: Auch nach über zwei Jahrhunderten beschäftigen sich immer wieder Künstler:innen, Schriftsteller:innen und Wissenschaftler:innen mit Hoffmann.
So auch Michael Bensman, der wie Hoffmann verschiedene Kunstformen miteinander verbindet: Text und bildende Kunst werden zu einem dreidimensionalen Objekt.
Künstlerbücher und Buchobjekte wie dieses bilden einen besonderen Schwerpunkt in der E.T.A. Hoffmann-Sammlung der Staatsbibliothek.
Mit Michael Bensmans Buchobjekt Geschichte vom verlorenen Spiegelbilde wird das Ausgangsmedium Buch zum raumgreifenden Objekt. Der Text ist auf ein Minimum reduziert, dafür versinnbildlichen schwarze Hände, die nach dem Spiegelbild greifen, die psychologischen Untertöne in Hoffmanns Erzählung.
Bensman, Michael: E.T.A. Hoffmann – Rat Krespel – „Wie er das Haus baute“
Ort, 2015
50 MC 1081 : KD
Mit Michael Bensmans Buchobjekt wird das Ausgangsmedium Buch zur raumgreifenden Skulptur. Die beklebten Pappen gestaltet er als Scherenschnitt. Die Motive sind Silhouetten von Fassaden, ein Briefschlitz aus Messing, ein Hausnummernschild, die zu einem Haus zusammengefügt sind. Das Objekt lädt zum Erkunden ein: um den (sehr reduzierten) Text im Hausinneren zu lesen, muss der Betrachter sich das Haus auf die Schultern setzen.
Illustrationen zu Hoffmanns Rat Krespel
Neben Künstlerinnen und Künstlern der 1910er Jahre, die sich intensiv mit Hoffmanns Person und Werk auseinandersetzten, entstanden auch zahlreiche ‚gefällige‘ Illustrationen. In dieser Ausgabe mit Illustrationen von Wilhelm Stumpf wurden die „schönsten“ (das heißt, die ‚leichteren‘) Erzählungen Hoffmanns zusammengestellt. Auch die Farbwahl und Maltechniken sowie die Motive und Darstellung waren eher restaurativ und ‚biedermeierlich‘.
E.T.A. Hoffmanns Erzählung Rat Krespel erschien zunächst im Frauentaschenbuch für das Jahr 1818 und dann im Jahr 1819 auch im ersten Band von Hoffmanns Erzählsammlung Die Serapionsbrüder. Der Text erzählt die Geschichte des seltsamen Rat Krespel, der ein eigensinniges Verhältnis zu Geigen pflegt: So stellt der Rat die beeindruckendsten Geigen her, um sie anschließend nur ein einziges Mal zu spielen und dann auseinander zu nehmen.
Den Kern der Erzählung aber bildet des Leiden von Antonie, der Tochter des Rats. Durch ein organisches Brustleiden ist sie einerseits dazu in der Lage, beeindruckend schön zu singen, andererseits bringt sie gerade das Singen in akute Lebensgefahr. Rat Krespel hat es sich zur Aufgabe gemacht, Antonies Leben dadurch zu retten, dass sie nicht mehr singt. Er scheitert daran.
Illustrationen zu Hoffmanns Das fremde Kind
Die Biedermeier-Illustrationen von Theodor Hosemann gehören zu den bekanntesten Bildern zu E.T.A. Hoffmanns Werk, sie wurden in zahlreiche spätere Ausgaben übernommen. Die Federzeichnungen Hosemanns sind zwar ihrer Zeit verhaftet, schaffen es aber einfühlsam, die Intention der jeweiligen Textstellen lebendig wiederzugeben.
E.T.A. Hoffmanns Kunstmärchen Das fremde Kind erschien zunächst 1817 in der Märchensammlung Kinder-Mährchen und dann 1819 im zweiten Band der Erzählsammlung Die Serapionsbrüder. Im Märchen begegnen die beiden Kinder Christlieb und Felix im Wald einem geheimnisvollen fremden Kind, das mit ihnen in der freien Natur spielt und für allerlei Wunder verantwortlich ist. Es kommt zum Konflikt zwischen dem inzwischen angekommenen furchteinflößenden Lehrer Magister Tinte und dem fremden Kind. Während letzteres die freie Natur verkörpert, kann der Lehrer mit dieser nichts anfangen und versteht sie auch nicht. Letztlich lehnen auch die Eltern der Kinder den Lehrer ab und der Vater erinnert sich, das fremde Kind auch einmal gekannt zu haben.
E.T.A. Hoffmann Portal
Seit 2015 werden alle rechtefreien E.T.A. Hoffmann-Materialien der Staatsbibliothek zu Berlin und weiterer Einrichtungen im E.T.A. Hoffmann Portal digital erschlossen und online auf etahoffman.net zugänglich gemacht. Inzwischen sind es knapp 2.500 Objekte. Das Portal ist der zentrale Einstieg in die Beschäftigung mit dem Leben und Werk Hoffmanns.
So finden sich dort auch zahlreiche einführende Themenbeiträge mit vielen Illustrationen, ein datenbankübergreifendes Rechercheinstrument und Lehrmodule für den Schulunterricht. Interaktive Elemente wie ein biografischer Zeitstrahl und Stadtrundgänge durch Berlin und Bamberg machen das Angebot lebendig.