Die Aufarbeitung und Restitution
von NS-Raubgut
in der Staatsbibliothek
zu Berlin

Geraubte Bücher

Bearbeiten, Verteilen, Tauschen:
Die Rolle der Preußischen Staatsbibliothek


NS-Raubgut in der
Staatsbibliothek zu Berlin

Als NS-Raubgut gelten Kulturgüter, die Personen und Institutionen unter dem NS-Regime ‚entzogen‛, abgenötigt, geraubt wurden. Dazu zählten nicht nur Gemälde und andere Kunstwerke, sondern auch Millionen von Büchern.

Stempel des Geheimen Staatspolizeiamts

Stempel des Geheimen Staatspolizeiamtes. SBB-PK / Thomas Rose. CC BY-NC-SA 3.0

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 setzte eine massenhafte Umverteilung von Büchern ein. In diesem Prozess nahm die Preußische Staatsbibliothek als größte wissenschaftliche Bibliothek im Deutschen Reich eine zentrale Funktion als Empfänger- und Verteilerinstitution von beschlagnahmter Literatur ein. Zugleich war dort mit der Reichstauschstelle eine weitere zentrale Verteilerinstitution angesiedelt. Auf der Grundlage von zwei ministeriellen Erlassen aus dem Jahr 1934, die die Verwertung von eingezogenem kommunistischem und ‚volksfeindlichem‛ Vermögen regelten, sowie zwei weiteren Erlassen von 1938 und 1939, die sich mit der Beschlagnahme von jüdischer und hebräischer Literatur befassten, wurde die Preußische Staatsbibliothek als Empfängerin von in Preußen beschlagnahmten Büchern bestimmt. Die zuständigen Behörden meldeten die Titel solcher Werke an die Preußische Staatsbibliothek, die übernahm und in den eigenen Bestand einarbeitete, was noch nicht vorhanden war und ihrem Erwerbungsprofil entsprach. Der überwiegende Teil wurde an andere wissenschaftliche Bibliotheken weiterverteilt.

Die Einlieferungen der Ortspolizeibehörden (darunter Beschlagnahmungen des Eigentums von SPD-Ortsvereinen, Verlagen etc.) umfassten oft nur wenige Titel. Gerade für Bücher gilt aber, dass planvoll aufgebaute Sammlungen in ihrer Gesamtheit von höherem Wert sind, als die Summe der einzelnen Exemplare. Die Preußische Staatsbibliothek bemühte sich daher auch um die Übernahme von geschlossenen Sammlungen besonderer Qualität. Dies gelang jedoch nur selten. Die Konkurrenz potentieller Empfängerinstitutionen – neben der Preußischen Staatsbibliothek vor allem neu gegründete NS-Institutionen wie die Bibliothek des (Reichs-)Sicherheitshauptamts oder der Hohen Schule – führten häufig zu einer Zerschlagung und Vernichtung historisch gewachsener Sammlungen.



Die 1926 vom Bibliotheksausschuss der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft eingerichtete Reichstauschstelle nahm anfangs Aufgaben der Literaturverteilung wahr. Sie übernahm zunächst aufgelöste Behörden- und Firmenbibliotheken, Ende der 1930er Jahre auch geraubte Literatur, um sie interessierten Bibliotheken bereitzustellen. In den 1940er Jahren verstärkte sich die Eigenständigkeit der Reichstauschstelle mit der Literaturbeschaffung im Zuge des Wiederaufbauprogramms für die durch Kriegseinwirkungen zerstörten deutschen Bibliotheken.

Das Reichssicherheitshauptamt war eine zentrale Behörde der SS mit nachrichtendienstlichen und sicherheitspolitischen Aufgaben. Es bestand unter diesem Namen ab 1939 und ging aus dem Sicherheitsdienst der SS, später Sicherheitshauptamt, hervor. Für die ‚Gegnerforschung‛ und Schulung von Polizei und SS baute der Sicherheitsdienst eine wissenschaftliche Zentralbibliothek in Berlin auf, die auf beschlagnahmtem, politisch unerwünschtem Schriftgut basierte.


Die Staatsbibliothek zu Berlin als Nachfolgeinstitution der Preußischen Staatsbibliothek setzt sich heute intensiv für die Aufarbeitung der Problematik von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut ein. NS-Raubgut wird ermittelt, dokumentiert und restituiert. Dabei werden nicht nur Verteilungswege von NS-Raubgut erforscht, sondern auch grundlegende institutionelle und administrative Prozesse. Im Zuge der NS-Raubgutforschung arbeitet die Staatsbibliothek außerdem an der Weiterentwicklung von Modellen zur gemeinsamen Provenienzerschließung von Bibliotheksbeständen mit.

Aktuelles

Aktuelle Informationen rund um die Provenienzforschung in der Staatsbibliothek zu Berlin finden Sie im Newsroom.

Anschreiben der Ortspolizeibehörde in Münster vom 27. September 1934 an die Preußische Staatsbibliothek zur Beschlagnahme von marxistischen Büchern. SBB-PK

Beschlagnahme, Raub und Umverteilung von NS-Raubgut


Verfolgt und beraubt

Das in der Preußischen Staatsbibliothek seit 1934 eingelieferte Raubgut spiegelt die systematische Verfolgung verschiedener Gruppen durch den NS-Staat wider.

Zu den vom Raub betroffenen Personen und Institutionen gehörten bereits seit Beginn der NS-Herrschaft die politischen Gegner wie sozialdemokratische und kommunistische Parteien beziehungsweise Vereine und Verbände der Arbeiterbewegung. Außerdem zählten als ‚volksfeindlich‛ erklärte Institutionen, Freimaurerlogen und andere weltanschauliche Gegner zu den Verfolgten. In verheerendem Ausmaß war besonders die jüdische Bevölkerung betroffen. Antisemitische Ausschreitungen, Boykott jüdischer Einrichtungen, die Nürnberger Rassengesetze etc. führten zu Ausgrenzung, Verfolgung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung im Deutschen Reich und fanden ihren vorläufigen Höhepunkt in den Novemberpogromen von 1938. Es folgten die Deportation und Ermordung von Millionen von Menschen in Vernichtungslagern.

Zu den Maßnahmen der Verfolgung und Unterdrückung gehörte das Einziehen von Vermögenswerten wie Büchersammlungen. Insbesondere die Verdrängung der jüdischen Bevölkerung wurde systematisch durch die staatlichen Behörden begünstigt und der Raub von jüdischem Eigentum legalisiert.

‚Schädliches und unerwünschtes Schrifttum‛


Zensur und Vernichtung der Bibliothek des Instituts für Sexualwissenschaft

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten begannen die ‚Säuberungen‛ von Bibliotheken – zunächst als studentische Aktion. Aus Bibliotheken und Buchhandlungen verschwanden Werke von ideologisch unerwünschten Autorinnen und Autoren sowie von durch die Nationalsozialisten als ‚zersetzend‛ und ‚schädlich‛ erklärtem Schrifttum. Im Mai 1933 wurde ein Teil dieser Bücher in vielen deutschen Städten zusammengetragen und verbrannt.


Ein Opfer der ‚Säuberungsaktionen‛ war die Bibliothek des Instituts für Sexualwissenschaft, das 1919 von dem Arzt und Sexualwissenschaftler Dr. Magnus Hirschfeld (1868–1935) in Berlin gegründet worden war. Für die wissenschaftliche Forschung wurde am Institut eine sexualwissenschaftliche Fachbibliothek aufgebaut, die am 6. Mai 1933 von Studenten geplündert und verwüstet wurde. Am Nachmittag setzte ein SA-Trupp die Plünderung fort. Ein Teil der Bücher wurde am 10. Mai auf dem Opernplatz in Berlin verbrannt, der Rest hingegen gesichtet und unter dem Vorwand der Steuerschuld dem Berliner Finanzamt übergeben. Die Bücher wurden zwangsversteigert oder verkauft.


Im Jahr 1935 gelangten einige Bände in die Preußische Staatsbibliothek und wurden als verbotene Literatur eingestuft. Die Bücher mussten sekretiert, das heißt separat aufgestellt und unter Verschluss gehalten werden. Nur eine beschränkte, ‚vertrauenswürdige‛ Leserschaft durfte diese benutzen. Nicht alle dieser Bände sind heute noch in der Staatsbibliothek vorhanden, da ein Teil während des Zweiten Weltkriegs aus dem bombardierten Berlin ausgelagert wurde und nach Kriegsende nicht zurückkehrte.


Für die ehemalige Bibliothek des Instituts für Sexualwissenschaft ist kein Katalog überliefert, was die Rekonstruktion heute immens erschwert. Der Verbleib der Bibliothek ist bislang nicht vollständig aufgeklärt, und immer noch tauchen einzelne Bücher im Antiquariatshandel auf.



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Die Bücher erhielten eine „Secr.“-Zugangsnummer, die oft auch in den Büchern selbst notiert wurde und damit im Zuge der NS-Raubgutforschung heute zur Identifikation des Exemplars herangezogen werden kann.

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In der Preußischen Staatsbibliothek wurde bescheinigt, alle verzeichneten verbotenen Werke erhalten zu haben.



Diese Liste verzeichnet den Eingang von 15 Titeln verbotener Literatur aus dem Institut für Sexualwissenschaft in die Preußische Staatsbibliothek im Jahr 1935. Preußische Staatsbibliothek, Sammelbearbeitungsliste Ib, 12.6.1935. SBB-PK

  • Die verbotene Literatur wurde in der Preußischen Staatsbibliothek mit dem Etikett „Secr.“ versehen und im Sondermagazin für gesperrte Literatur aufgestellt. Durch den Stempel des Instituts und den Titel (= Nr. 12 auf der Sammelbearbeitungsliste) kann dieses Exemplar eindeutig identifiziert werden.


Heinz Starkenburg, Das sexuelle Elend der oberen Stände. Ein Notschrei an die Öffentlichkeit, Leipzig 1898. SBB-PK / Michaela Scheibe

Die Einziehung von ‚staatsfeindlichem‛ Vermögen


Die Zerschlagung der Bibliothek des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main

Mit den Gesetzen zur Einziehung von kommunistischen Vermögen (26. Mai 1933) und von ‚volks- und staatsfeindlichen‛ Vermögen (14. Juli 1933) wurde bereits zu Beginn der NS-Herrschaft die Verfolgung politischer Gegner eingeleitet. Von Beschlagnahmungen waren wissenschaftliche Sozialistica-Bibliotheken, aber auch Gebrauchsbibliotheken von Parteien, Arbeiterorganisationen und Gewerkschaften betroffen.


Das wissenschaftliche Institut für Sozialforschung (IfS) in Frankfurt am Main widmete sich seit seinen Anfängen 1923 der Theorie und Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung. Dazu zählte auch die wissenschaftliche Erforschung des Marxismus. Unter der Leitung von Max Horkheimer entwickelte sich das Institut 1930 schließlich zum intellektuellen Mittelpunkt und wurde als sogenannte Frankfurter Schule berühmt.

Die Nähe der thematischen Schwerpunkte zum politischen Geschehen führte dazu, dass das Institut unter dem NS-Regime als ‚staatsfeindlich‛ eingestuft und am 13. März 1933 aufgelöst wurde. Die wertvolle Institutsbibliothek mit seltenen Materialien wie revolutionären Flugschriften wurde beschlagnahmt.


In der Preußischen Staatsbibliothek ging 1937 mit der ‚staatsfeindlichen‛ Literatur ein Großteil der Bibliothek ein, während das als unbedenklich eingestufte Material bei den Frankfurter Universitätsinstituten blieb. An das (Reichs-)Sicherheitshauptamt gab die Preußische Staatsbibliothek doppelt vorhandene und als nicht relevant eingestufte Bände für deren ‚Gegnerforschung‛ ab. Mit Auflösung der NS-Institutionen nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden diese Bücher an andere wissenschaftliche Bibliotheken weiterverteilt. Einige Einzelexemplare gelangten später in den Verteilungskreislauf der Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände. So kann es sich auch bei nach 1945 erworbenen Büchern um NS-Raubgut handeln.

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ZwA-Nummer

Die ZwA-Nummer wurde häufig auch in den Büchern notiert.



Die in die Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände (ZwA) eingehenden Bücher wurden mit einer Titelkarte in den ZwA-Dienstkatalog aufgenommen und erhielten eine (ZwA-)Nummer. Katalogkarte der ZwA. SBB-PK / Thomas Rose. CC BY-NC-SA 4.0


Um dem Büchermangel in wissenschaftlichen Bibliotheken nach Kriegsende entgegenzuwirken, organisierte die zentrale Tauschstelle für Bibliotheken in der DDR  von 1953 bis 1995 die Übergabe und Abgabe von Dubletten und „herrenlosen“ Büchern. Darunter befanden sich auch unter dem NS-Regime enteignete und beschlagnahmte Bände. Angesiedelt war die Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände (ZwA) ab 1959 bei der Deutschen Staatsbibliothek, einer Vorgängerinstitution der Staatsbibliothek zu Berlin.


Aus der Preußischen Staatsbibliothek wurde ein Teil der Bücher zum Schutz vor Luftangriffen während des Zweiten Weltkriegs an Standorte im Reichsgebiet ausgelagert und kehrte nach 1945 nicht nach Berlin zurück. Für die in Berlin zurückgebliebenen Bücher griffen nach dem Zweiten Weltkrieg die neuen Verteilungsmechanismen unter dem SED-Regime in der DDR. Große Mengen an Sozialistica – auch NS-Raubgut – wurde für den Aufbau neuer Fachbibliotheken, wie zum Beispiel beim 1949 gegründeten Institut für Marxismus-Leninismus, zusammengetragen.

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Restitution

Durch die Aufsplitterung der ehemaligen Bibliothek des Instituts für Sozialforschung kam es seit 1951 mit der Wiedergründung des Instituts in Frankfurt am Main zu Restitutionen von verschiedenen Seiten. Im Jahr 2018 restituierte die Staatsbibliothek zu Berlin 536 Bände an das Institut.

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Eine wichtige Spur bei der Identifizierung von Exemplaren aus dem Institut für Sozialforschung ist die institutseigene Zugangsnummer, die mit Bleistift auf dem Titelblatt eingetragen wurde.

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Die ZwA-Nummer wurde häufig in den Büchern notiert und kann heute der Identifizierung von Exemplaren dienen, die über die ZwA verteilt wurden. Die Nummer gibt Auskunft über den Weg des Buches nach 1945, aber noch keinen Hinweis darauf, ob es sich bei dem Buch um NS-Raubgut handelt.

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Ein weiterer wichtiger Hinweis bei der Identifizierung von Exemplaren aus dem Institut für Sozialforschung ist der Stempel des Instituts auf der Rückseite des Titelblattes.

Dieses Buch aus der ehemaligen Bibliothek des Instituts für Sozialforschung gelangte 1967 über die ZwA in die Staatsbibliothek. Vladimir I. Lenin: An die Jugend, Wien 1925. Zum Digitalisat


Freimaurerlogen: Zur Auflösung gezwungen


Die Bibliothek der Johannis-Loge Teutonia zur Weisheit in Potsdam

Freimaurerlogen wurden aufgrund ihrer internationalen Organisationsform und toleranten Ideale von den Nationalsozialisten als Gefahr für die NS-Weltanschauung betrachtet und einer Weltverschwörung verdächtigt. Am 17. August 1935 wurde die Auflösung aller Logen und die Einziehung des Vermögens zugunsten des Staates bestimmt.


Die deutschen Freimaurerlogen waren Vereinigungen mit einer langen Tradition. So bestand auch die Johannis-Loge Teutonia zur Weisheit seit 1809 in Potsdam und besaß eine umfangreiche und gut organisierte Bibliothek.


Die Loge versuchte nach Beginn der Verfolgung im Jahr 1933 der Zerstörung und Aufsplitterung der eigenen Bibliothek zuvorzukommen und bot diese 1934 der Preußischen Staatsbibliothek an. Damit verbunden war die Hoffnung, die Staatsbibliothek würde die Bibliothek in ihrer Gesamtheit erhalten. Doch die Staatsbibliothek erklärte sich nur zur Übernahme des freimaurerischen Teils bereit und auch dieser blieb nicht geschlossen in der Staatsbibliothek erhalten, da doppelt vorhandene Bücher aussortiert und an die Nationalbibliothek Wien weitergegeben wurden.



Dieses Verzeichnis der Büchersammlung wurde vermutlich im Vorfeld der Übernahme in die Preußische Staatsbibliothek zum stichprobenhaften Abgleich mit dem eigenen Bestand herangezogen. St.-Johannis-Loge Teutonia zur Weisheit i. O. Potsdam, Verzeichnis der Büchersammlung, Potsdam 1913. Zum Digitalisat


Die Loge Teutonia bildete damit eine seltene Ausnahme, da der Verbleib eines wesentlichen Sammlungsteils durch frühzeitige Selbstauflösung noch selbst geregelt werden konnte. Dennoch ließ sich auch durch diese notgedrungene Veräußerung der Bücher eine Aufsplitterung der Sammlung nicht völlig verhindern.


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Restitution

Da sich die Loge Teutonia in der DDR nicht neugründen durfte, erfolgte erst im Jahr 1991 die Wiedereröffnung in Potsdam. 1965 wurden deshalb 639 Bände von der Staatsbibliothek im Westteil Berlins an die Große National-Mutterloge übergeben, die als übergeordnete Organisation auch die nicht wiedergegründeten Logen vertrat. Im Jahr 2016 wurden nach intensiven Recherchen im Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin weitere 384 Bücher identifiziert und diesmal direkt an die Loge Teutonia übergeben.

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D = Dona (Geschenke) mit Zugangsjahr ist gleichzeitig titelgebend für das Zugangsbuch

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laufende Zugangsnummer

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Tag des Zugangs im Jahr 1936 (da zum Betriebsjahr 1935 gehörend)

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Bibliografische Angaben zum erworbenen Werk

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Angabe des Lieferanten



Alle erworbenen Bücher – ob Raubgut oder nicht – wurden in großen Zugangsbüchern mit vorgedruckten Spalten verzeichnet. Einzelne Titel wurden mit einer Nummer versehen. Diese Zugangsnummer wurde auch in den Büchern notiert und kann bei Bänden ohne Besitzstempel ein Nachweis des Vorbesitzers sein. Preußische Staatsbibliothek, Akzessionsjournal Dona, 1935. SBB-PK

Konkurrenz um beschlagnahmte jüdische Bibliotheken


Die Bibliothek des Jüdisch-Theologischen Seminars Fraenckel’scher Stiftung in Breslau

Jüdische Menschen wurden unter dem NS-Regime verfolgt, unterdrückt und ermordet. Ihre Verdrängung wurde durch staatlich verordnete, antijüdische Maßnahmen forciert, die die jüdische Bevölkerung zunehmend jeglicher Existenzgrundlage beraubten. Vermögen von Emigrierenden wurde eingezogen, Verordnungen über die Anmeldung und die Abgabe von jüdischem Vermögen und der Ausschluss aus dem Wirtschaftsleben schufen finanzielle Notsituationen und Zwangsverkäufe. Nach Deportation und Ermordung fiel das verbliebene Eigentum an das Deutsche Reich.


Zwei Erlasse des Reichsministers der Finanzen vom 10. September 1938 und vom 12. Juni 1939 bestimmten die Preußische Staatsbibliothek zwar als zentrale Sammelstelle für beschlagnahmte jüdische und hebräische Literatur, kamen in der Praxis jedoch kaum zum Tragen. Vor allem ab 1940 ergab sich eine direkte Konkurrenz zum (Reichs-)Sicherheitshauptamt, das vom Reichsministerium der Finanzen als erste Anlaufstelle eingesetzt wurde und die Weitergabe von beschlagnahmten Büchern organisierte.



Infolge des Erlasses durch das Reichsfinanzministerium legte dieses Schreiben in der Preußischen Staatsbibliothek den Umgang mit beschlagnahmten Judaica und Hebraica fest. Aktenvermerk zur Behandlung beschlagnahmter jüdischer und hebräischer Literaturerzeugnisse, 24. August 1939. SBB-PK


Die Bücher, die an die Zentralbibliothek des (Reichs-)Sicherheitshauptamtes gelangten, wurden dort nur zu einem kleinen Teil bearbeitet und gestempelt. Häufig sind die Stempel der Vorbesitzer – hier des Jüdisch-Theologischen Seminars – in den Büchern einfach geschwärzt. Leopold Zunz: Die Ritus des synagogalen Gottesdienstes, Berlin 1859. SBB-PK / Hagen Immel

Gerade die Beschlagnahme von jüdischen Bibliotheken im deutschen Reichsgebiet, darunter der des Jüdisch-Theologischen Seminars in Breslau (heute Wrocław, Polen), ging vom Sicherheitsdienst der SS aus. In den Novemberpogromen von 1938 waren Seminar und Bibliothek von Verwüstung und Zerstörung betroffen und was nicht vernichtet wurde, beschlagnahmte der Sicherheitsdienst der SS für die eigene Zentralbibliothek und ließ es nach Berlin abtransportieren.



Das (Reichs-)Sicherheitshauptamt als Behörde der SS baute für die nachrichtendienstlichen Aufgaben eine eigene Bibliothek auf, die zu einem großen Umschlagplatz für beschlagnahmtes jüdisches, freimaurerisches, sozialistisch/marxistisches und sonstiges missliebiges Schrifttum wurde. Bücher der Zentralbibliothek wurden zum Teil im Krieg ausgelagert, vernichtet und der in Berlin verbliebene Rest nach 1945 durch die Bergungsstelle für wissenschaftliche Bibliotheken gesichtet, zurückgegeben oder an Berliner Bibliotheken weiterverteilt.


Die wertvolle Bibliothek der Breslauer Lehr- und Forschungsstätte für die Wissenschaft des Judentums wurde nach 1945 weiter auseinandergerissen. Durch die Zerstörung des Seminars und des jüdischen Lebens insgesamt blieb die Rechtsnachfolge für die Bibliothek unklar. Aus der aufgelösten Bibliothek des (Reichs-)Sicherheitshauptamtes wurden daher nach 1945 Teilbestände an Berliner Bibliotheken verteilt, über die Sammelstelle der Alliierten in der amerikanischen Besatzungszone und die Treuhandgesellschaft Jewish Cultural Reconstruction Inc. an jüdische Gemeinden in der Schweiz, in Israel und in Mexiko abgegeben, von polnischen Behörden übernommen oder als Beutegut nach Moskau abtransportiert. Einzelne Exemplare aus dem ehemaligen Jüdisch-Theologischen Seminar wurden über den Antiquariatsmarkt weiterverkauft. So gelangte noch in den 1990er Jahren NS-Raubgut in den Bestand der heutigen Staatsbibliothek zu Berlin.


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Verfolgt, enteignet, emigriert oder deportiert – Schicksale von Privatpersonen und ihrem Buchbesitz


Die Privatbibliothek von Artur Rubinstein

Emigrierte oder deportierte jüdische Privatpersonen oder andere durch das NS-Regime Verfolgte wurden enteignet und ihr Vermögen von den Finanzbehörden des Reiches eingezogen. Den Raubzügen fielen dabei auch Bibliotheken in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten zum Opfer.


Der weltberühmte Pianist Artur Rubinstein (1887–1982) besaß eine wertvolle Privatbibliothek mit zahlreichen Musikhandschriften in seiner Wohnung in Paris. Im Jahr 1939 emigrierte er mit seiner Familie in die USA. Seine Bibliothek blieb in Paris zurück und wurde nach der deutschen Teilbesetzung Frankreichs 1940 durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg – einer der Hauptakteure großangelegter Raubzüge in den besetzen Gebieten – beschlagnahmt und nach Berlin ins (Reichs-)Sicherheitshauptamt gebracht.



Während des Zweiten Weltkriegs war der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg für den großangelegten Raub von Kulturgütern in den von deutschen Truppen besetzen Gebieten zuständig. Ähnlich dem Sicherheitshauptamt wurde das Ziel verfolgt, mit beschlagnahmter Literatur Bibliotheken zur sogenannte Gegnerforschung an der Hohen Schule (NS-Eliteschule) und am Institut zur Erforschung der Judenfrage in Frankfurt am Main aufzubauen.



Die Zersplitterung der Bibliothek Rubinsteins setzte sich nach 1945 fort. Ein Teil der Bücher aus der Bibliothek des (Reichs-)Sicherheitshauptamtes wurde durch die Rote Armee nach Moskau gebracht. Zurückgebliebenes und als ‚herrenlos‛ erklärtes Bibliotheksgut gelangte in die Deutsche Staatsbibliothek, wurde an Berliner Bibliotheken zum Wiederaufbau ihrer Bestände nach dem Zweiten Weltkrieg verteilt oder geriet schließlich in den Verteilungskreislauf der Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände. Bis heute konnte die Aufsplitterung der Bibliothek nur annähernd aufgeklärt werden.



Artur Rubinstein, um 1960. bpk

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Restitution

Im Jahr 2006 erfolgte seitens der Staatsbibliothek zu Berlin die Übergabe von 71 Musikhandschriften an die Erben von Artur Rubinstein. Weitere fünf Bücher und zwei Musikhandschriften wurden 2019/20 übergeben.

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In Rubinsteins Büchern wurde häufig ein Exlibris angebracht, aber selten in den Musikhandschriften. Hinweise für eine Identifizierung können aber beispielsweise Widmungen an Artur Rubinstein geben.



Musikhandschrift aus der Bibliothek Artur Rubinsteins. SBB-PK / Thomas Rose. CC BY-NC-SA 3.0

Aufarbeitung von NS-Raubgut-Zusammenhängen


Provenienzforschung

Die Erforschung der Provenienz (lat. provenire = herkommen) von Büchersammlungen hat eine lange Tradition in der Sammlungsforschung sowie bei der Handschriften- und Inkunabelbeschreibung. Seit den 1980er Jahren intensivierte sich die Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Rolle von Bibliotheken im Nationalsozialismus. Daneben tritt seit der Washingtoner Erklärung verstärkt die wissenschaftliche Erforschung der Besitz- und Erwerbungsgeschichte von potentiellem Raubgut in Bibliotheken. Die Provenienzforschung zu NS-Raubgut ist damit eine noch relativ junge wissenschaftliche Disziplin. Neben der wissenschaftlichen Forschung ist auch die Aufklärung von Unrecht und die Feststellung von Eigentumsverhältnissen Teil der Forschungsarbeit.


Als Nachfolgeinstitution der Preußischen Staatsbibliothek arbeitet die Staatsbibliothek zu Berlin seit vielen Jahren intensiv an der Aufarbeitung der Problematik von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in ihren Sammlungen, wie einige Meilensteine ihrer Aktivitäten zeigen.

Aktivitäten in der Staatsbibliothek zu Berlin im Kontext der Provenienzforschung in Bibliotheken

  • ab 1945

    Staatsbibliothek zu Berlin

    Erste Prüfungen von unbearbeiteten Beständen der Preußischen Staatsbibliothek und Restitutionen von Raubgut (zum Beispiel aus der zentralen SPD-Bibliothek (1945) oder der Loge Teutonia (1965))

  • 1998

    Washingtoner Erklärung

    44 Staaten unterzeichnen die Washingtoner Erklärung und verpflichten sich, Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden, zu identifizieren und mit den rechtmäßigen Eigentümern und Eigentümerinnen „gerechte und faire Lösungen“ zu finden.

    1998

  • 1999

    Gemeinsame Erklärung

    Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz

  • ab 1999

    Staatsbibliothek zu Berlin

    Erste Bestandsaufnahme verdächtiger Erwerbungen der Preußischen Staatsbibliothek aus jüdischem Besitz aus dem Zeitraum 1933 bis 1945

    ab 1999

  • 2001

    Einrichtung der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg

    Die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste wird zur zentralen Anlaufstelle für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter in der Bundesrepublik. In der Datenbank Lost Art werden Such- und Fundmeldungen sowohl zu NS-Raubgut als auch zu infolge des Zweiten Weltkriegs verlagerten Kulturgütern veröffentlicht.

  • 2002

    Hannoverscher Appell

    Bibliotheksvertreterinnen und -vertreter bekennen sich zur Suche nach NS-Raubgut in ihren Beständen und zur Restitution.

    2002

  • 2004

    Weimarer Empfehlungen

    Die Bibliotheken des Gemeinsamen Bibliotheksverbunds (GBV) entwickeln Empfehlungen zur Provenienzverzeichnung in Bibliotheken (inkl. Thesaurus der Provenienzbegriffe).

  • seit 2004

    Staatsbibliothek zu Berlin

    Erschließung von Provenienzen in der Abteilung Historische Drucke nach den ‚Weimarer Empfehlungen‛

    seit 2004

  • 2006

    Staatsbibliothek zu Berlin

    Start eines gemeinsamen Forschungsprojekts mit dem Max-Planck-Institut für Geschichte zur Rolle der Preußischen Staatsbibliothek und der Reichstauschstelle im Verteilungsnetzwerk von unter dem NS-Regime beschlagnahmter Literatur

    Zur Projektseite

  • 2007

    Gründung der Unterarbeitsgruppe Provenienzforschung und Provenienzerschließung durch die Arbeitsgemeinschaft Handschriften und Alte Drucke in der Sektion IV des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv)

    2007

  • 2007

    Staatsbibliothek zu Berlin

    Einrichtung eines speziellen Aufgabenbereichs zur NS-Raubgutprüfung in der Abteilung Historische Drucke

  • 2007

    Staatsbibliothek zu Berlin

    Einrichtung einer internen Datenbank zu eindeutigen und möglichen Fällen von NS-Raubgut

    2007

  • 2010 bis 2014

    Staatsbibliothek zu Berlin

    Im Forschungsprojekt Transparenz schaffen werden als besonders verdächtig bewertete Zugänge im historischen Druckschriftenbestand wie Hebraica, Judaica, Freimaurerliteratur und Sozialistica systematisch aufgearbeitet.

    Zur Projektseite

  • 2012

    Verbundübergreifende Empfehlungen zur Provenienzverzeichnung von der AG Handschriften und Alte Drucke (dbv)

    Die Empfehlungen sehen die Nutzung der nationalen Gemeinsamen Normdatei (GND) für die kooperative Provenienzerschließung vor.

    2012

  • 2014

    Gründung des Arbeitskreises Provenienzforschung und Restitution – Bibliotheken

    Im bibliothekarischen Bereich tätige Provenienzforscherinnen und -forscher aus Deutschland und Österreich schließen sich zusammen, um Erfahrungen auszutauschen und Vorschläge für die Umsetzung bibliothekarischer Anliegen im Zusammenhang mit der NS-Raubgutforschung zu erarbeiten.

  • 2014 bis 2022

    Staatsbibliothek zu Berlin

    Im Forschungsprojekt NS-Raubgut nach 1945 wird der Umverteilung von nach dem Zweiten Weltkrieg als herrenlos angesehenen Altbeständen in der DDR und der Rolle der Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände nachgegangen.

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    2014 bis 2022

  • seit 2021

    Staatsbibliothek zu Berlin

    Ein dynamisches Provenienz-Webportal informiert die Öffentlichkeit mit tagesaktuellen Zahlen, die den Fortschritt der bibliothekarischen Provenienzerschließung anzeigen. Der aktuelle Stand der Restitutionen sowie der zu erwartende Arbeitsumfang werden mittels der Zahl von unter NS-Raubgutverdacht stehenden Bänden transparent gemacht.

  • 2022 bis 2024

    Staatsbibliothek zu Berlin

    Im Forschungsprojekt zum Zentralantiquariat der DDR wird zur Rolle des Antiquariats bei der kommerziell ausgerichteten Verteilung von Buchbeständen nach West und Ost in der Zeit von 1959 bis 1989 geforscht.

    Zur Projektseite

    2022 bis 2024

Einblicke in die Arbeit der Staatsbibliothek zu Berlin


Provenienzerschließung

Kulturgüter wie Bücher, Musikalien oder Zeitschriften müssen auf NS-Raubgut-Verdacht geprüft werden, wenn sie folgende Kriterien erfüllen:


  • vor Mai 1945 entstanden

  • nach dem 30. Januar 1933 erworben


Der gesamte historische Druckschriftenbestand der Staatsbibliothek zu Berlin mit Exemplaren, die vor 1945 erschienen sind, umfasst drei Millionen Bände. Hinzu kommen Sondermaterialien wie Handschriften, Musikalien, Karten und Nachlässe. Für diese drei Millionen Bände müssen in den Erwerbungsunterlagen der Staatsbibliothek aufwendig diejenigen Exemplare recherchiert werden, die zwischen 1933 und 1945, aber auch später erworben wurden. Verdachtsfälle werden anschließend geprüft. Hinweise auf solche Bestände finden sich einerseits in überlieferten Erwerbungsakten und Zugangsbüchern der Bibliothek, andererseits in den Büchern selbst.


Die Suche nach den geraubten Büchern gestaltet sich oft schwierig. Neben der Zerschlagung der Bibliotheken tat auch die bibliothekarische Praxis der Dublettenaussonderung (Dublette = doppelt vorhandenes Buch) ihr Übriges. Wertvolle Kulturgüter wurden außerdem während des Zweiten Weltkriegs aus dem bombardierten Berlin ausgelagert. Nach Kriegsende kam es an den Auslagerungsorten nicht selten zu Plünderungen und Verlusten, einige Depots lagen nach 1945 auf polnischem Staatsgebiet. Auch nach 1945 setzte sich die Zersplitterung von Bibliotheken fort, da Massen an Büchern unklarer Herkunft weiterverteilt wurden. Trotz einst eventuell vollständiger Übergaben an die Preußische Staatsbibliothek werden dadurch heute oft nur noch Teile der ursprünglich übernommenen Sammlungen und Bücher aufgefunden.


Die Rechercheergebnisse aus der Arbeit in der Staatsbibliothek zu Berlin zu geklärten oder noch ungeklärten Fällen können im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin eingesehen werden. Auch die Besitz- und Erwerbungsgeschichte von restituierten Exemplaren ist dort dokumentiert.





Bestände der Preußischen Staatsbibliothek wurden während des Krieges unter anderem in das Landgrafenschloss zu Marburg an der Lahn ausgelagert, Aufnahme von 1947/48. bpk

Versuchen Sie es selbst!


Können Sie diese Provenienzmerkmale entschlüsseln?



Hinweise auf Vorbesitzerinnen und Vorbesitzer geben Spuren in Büchern, wie Stempel, Exlibris oder handschriftliche Widmungen. Das Entschlüsseln dieser Merkmale kann jedoch eine große Herausforderung sein. Nicht immer ist eine Identifizierung möglich.


Sozial.-Demokr. Wahlverein
Für Lägerdorf
Durch Kampf zum Sieg!

Kleinere Gebrauchsbibliotheken von Partei-Ortsvereinen wie auch Arbeitervereinen wurden unter dem NS-Regime in großer Zahl beschlagnahmt.


Aus meiner Bücherei
Hedwig Hesse
Behrmann
Mai 1918
Nr.

Hedwig Hesse war eine deutsche Jüdin und wurde 1942 nach Riga deportiert und dort ermordet. Ihre Bücher wurden beschlagnahmt.


Gr. L. Loge D. Fr. M. V. Deutschl.
[Grosse Landesloge der Freimaurer von Deutschland]
Berlin
Bibliothek

Der geschwärzte Stempel lässt vermuten, dass dieser Band einer Freimaurerloge vom (Reichs-)Sicherheitshauptamt übernommen wurde.


À Monsieur Henri Torrès
ce „reportage“ dans le pays
où il n’y a pas de
vrais orateurs, en
souvenir très cordial
Pierre Daye
Paris, octobre 1931

Der französische Anwalt Henry Torrès war jüdischer Herkunft und emigrierte 1940 in die USA. Bände aus seiner Bibliothek gelangten vermutlich auf unterschiedlichen Verteilungswegen in die Preußische Staatsbibliothek.


Israelitischer Knaben-Verein Stettin

Als Besitz einer jüdischen Vereinigung zählt der Band zu den NS-Raubgut verdächtigen Exemplaren. Weitere Hinweise auf die Bibliothek gibt es bisher nicht.

Die Übergabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut an Berechtigte


Restitution

Bei eindeutiger Provenienz werden die sich noch im Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin befindlichen NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgüter schnellstmöglich an die Berechtigten restituiert.


Die ersten Restitutionen von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut erfolgten bereits nach Kriegsende 1945. An zahlreichen Verlagerungsorten im Reichsgebiet fanden sich Massen an Raubgut. Auch NS-Hauptakteure wie das (Reichs-)Sicherheitshauptamt oder der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, die nun aufgelöst wurden, hinterließen große Depots an beschlagnahmtem Gut. Die Alliierten versuchten deshalb Rückgaben an Berechtigte einzuleiten. Als zentrale Sammelstelle diente unter anderem das Offenbach Archival Depot für Bücher und Dokumente in der amerikanischen Besatzungszone. Aus dem Offenbacher Depot wurden in der Zeit von 1945 bis 1949 über drei Millionen Bücher und Ritualgegenstände restituiert. In Berlin übernahm 1945/46 die Bergungsstelle für wissenschaftliche Bibliotheken eine ähnliche Aufgabe, sie sichtete zurückgelassene Bestände und organisierte Rückgaben.


Dabei konnten jedoch nicht alle Bücher und Dokumente identifiziert, zugeordnet und zurückgegeben werden. Die Suche nach jüdischen Eigentümerinnen und Eigentümern gestaltete sich besonders schwierig, da jüdisches Leben unter dem NS-Regime umfassend zerstört wurde. Hinzu kommen Bücher, die keine Hinweise auf Vorbesitzerinnen oder Vorbesitzer enthielten und als ‚herrenlos‛ betrachtet und verteilt wurden. Rückführungen von Ost nach West und umgekehrt waren während des beginnenden Kalten Kriegs erschwert. Deshalb findet sich noch heute NS-Raubgut in den Beständen von Bibliotheken.


Am 23. Juni 2016 übergab die Generaldirektorin der SBB, Barbara Schneider-Kempf, dem Vorstand der Johannisloge Teutonia zur Weisheit in Potsdam 384 Bände aus der ehemaligen Logenbibliothek, die in der SBB als Raubgut identifiziert wurden. SBB-PK / Hagen Immel


Die Staatsbibliothek zu Berlin kennzeichnet restituierte Exemplare mit einem eindeutigen Stempel. SBB-PK / Hagen Immel

Die Möglichkeit, die rechtmäßigen Eigentümer und Eigentümerinnen 70 Jahre nach Kriegsende zu finden, schwinden mehr und mehr. Meist können nur Kontakte zu Erben und Erbinnen hergestellt werden. In manchen Fällen sind keine Berechtigten mehr aufzufinden. Noch größer ist die Anzahl der Bücher, bei denen sich keine Spuren auf Vorbesitzerinnen und Vorbesitzer finden lassen und für die somit lediglich festgestellt werden kann, dass der Verdacht auf NS-Raubgut nicht ausgeräumt werden konnte. Diese Bücher werden im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin kenntlich gemacht.

Restitutionen der Staatsbibliothek zu Berlin


In Zahlen


  • Titel mit Provenienzdaten


  • als NS-Raubgut identifizierte/verdächtige Titel


  • restituierte Titel



Die enorme Menge von allein drei Millionen historischen Druckschriften, die vor 1945 erschienen sind, zeigt, dass die Staatsbibliothek noch auf lange Zeit mit der Aufarbeitung der Problematik von NS-Raubgut in ihren Sammlungen beschäftigt sein wird. Erschwert werden die Aufgaben durch beträchtliche Kriegsverluste, die sich heute nicht mehr im Bestand der Staatsbibliothek befinden, und die Aufteilung der Bestände in eine Ost- und Westinstitution von 1946 bis 1990. Das Fortschreiten der Bestandsprüfungen in der Staatsbibliothek lässt sich anhand der obigen Zahlen verfolgen. Wie viele Bände sich bei der Prüfung als NS-Raubgut herausstellten beziehungsweise als Verdachtsfälle identifiziert oder bereits restituiert werden konnten, wird kontinuierlich im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin aktualisiert und dokumentiert.