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Erwerbung im Rahmen der Sammlung Deutscher Drucke

Alles Zauberei!


Jacoby-Harms: Eine Geistersoiree. Illustrirtes Prachtwerk, Leipzig 1886. SBB-PK / Fotostelle. CC BY-NC-SA 4.0.

Zauberkunst ist eine Form der darstellenden Kunst, die durch Anwendung verschiedener Techniken wie Tricks, optische Täuschungen oder Apparaturen Illusionen schafft und ihr Publikum unterhält. Im 19. Jahrhundert hatte sich das Zauberbuch als Gattung auf dem Fachbuchmarkt etabliert.



Ein besonders charmantes Genre unter den historischen Druckschriften sind Zauberbücher. Dabei kann es sich um praktische Anleitungen handeln, die Hinweise geben, wie Zauber- und Kartentricks auszuführen sind. Adressat war dabei häufig der angehende Zauberkünstler, denn das Publikum wäre damit jeder Illusion beraubt. Im Jahr 2009 gelang es der Staatsbibliothek, eine Reihe an seltenen Exemplaren aus dem Genre Zauberei und Magie aus dem Erscheinungszeitraum von 1871 bis 1912 zu erwerben, die im Zuge der Auflösung der Sammlung eines Zauberkünstlers versteigert wurden.


Zu den seltenen Werken des Genres zählt Eine Geistersoiree von Hans Joachim Jacob Harms (1845–1917), erschienen unter seinem Künstlernamen Jacoby-Harms, das mit spiritistischer Zauberkunst unterhält. Geistergedichte werden illustriert von Abbildungen, die den Autor bei der Beschwörung von Geistern und spukenden Gespenstern zeigen.


Die Abbildungen des Bandes wurden im Lichtdruckverfahren hergestellt. Es handelt sich um ein Edeldruckverfahren für die Illustration von Drucken in kleinen Auflagen, das um die Jahrhundertwende verbreitet war. Hergestellt wurden die Lichtdrucke in der 1885 gegründeten Kunstanstalt für Lichtdruck Dorn & Merfeld. Trotz der Illusion, die die Abbildungen erzeugten, grenzt sich Jacoby-Harms von dem zu dieser Zeit verbreiteten Spiritismus ab und macht deutlich, dass die Geistererscheinungen auf Täuschung zurückzuführen sind.


Der Einband ist ein Dokument des industriellen Einbands im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts, der den traditionellen manuellen Buchbinderbetrieb nahezu vollständig ersetzte. Die Gestaltung des Einbands nimmt Bezug auf den Inhalt des Buches, es handelt sich um einen sogenannten ‚Redenden Einband‘ (franz. reliure parlante). Auf dem vorderen Einbanddeckel wird mit zwei Signets auf die an der Gestaltung Beteiligten hingewiesen. Der deutsche Zeichner, Maler und Illustrator Christian Wilhelm Allers („C.W.Allers“) lieferte den Entwurf für die auf den Buchdeckel abgedruckte Abbildung. Umgesetzt wurde die Abbildung von der Graphischen Anstalt F. A. Barthel, die zur gleichnamigen Buchbinderei- und Einbanddeckenfabrik in Leipzig gehörte und sowohl industrielle buchbinderische Arbeiten für große Auflagen ausführte, als auch separate Einbände herstellte, die in anderen Buchbindereien gebunden wurden.


Weitere Werke des Genres lieferten Anleitungen zum Zaubern. So findet sich in diesem Band eine mit Fotos illustrierte Anleitung, wie der Zauberer einen Ball o.ä. Gegenstand zwischen den Fingern verschwinden lassen kann. Friedrich Wilhelm Conrad Horster: Das Universum der Magie, Berlin 1912. Zum Digitalisat


Versandhäuser für Zauberartikel brachten eigene Kataloge heraus, eines der bekanntesten war die Firma von Carl Willmann (1848–1934) in Hamburg, der selbst Zauberkünstler war und Zaubergeräte herstellte. Carl Willmann Mechanische Werkstatt: Preis-Verzeichnis von Carl Willmann (Inhaber: Carl und John Willmann) Hamburg, Hamburg 1911. SBB-PK / Fotostelle. CC BY-NC-SA 4.0.


Die erworbene Zauberliteratur wird weiterhin ergänzt, zum Beispiel durch diese Zeitschrift Der Zauberkünstler, die 1897 nur mit einem einzigen Heft erschienen ist. Ursprüngliches Anliegen war, Zauberkünstler über neue Kunststücke zu informieren und mit Aufbau und Anwendung neuer magischer Apparate vertraut zu machen. H.F.C. Suhr (Hrsg.): Der Zauberkünstler. Monatsschrift für Salon-Magie und alle verwandten Fächer, Altona 1897. Zum Digitalisat


Ebenfalls der Anleitungsliteratur zuzurechnen ist dieser Band mit einer Reihe von Beschreibungen zu Zauber- und Kartenkunststücken, die zum Ausprobieren einladen. Der Zaubersalon oder Bellachini II., Danzig 1896. Zum Digitalisat

Eine gezogene Karte leicht zu finden.

Zu diesem Kunststück benutzt man eine deutsche Karte, legt alle Blätter dem Bilde nach aufrecht, mischt die Karten und läßt dann ein Blatt ziehen. Während dieses besehen wird, wendet man schnell das Spiel um und läßt die Karte wieder einstecken. Da diese nun eine umgedrehte Stellung gegen die übrigen Karten einnimmt, so ist sie auch nach dem Mischen leicht wieder herauszufinden.“

Erwerbungsprogramm
Sammlung Deutscher Drucke

In der Arbeitsgemeinschaft Sammlung Deutscher Drucke kooperieren sechs deutsche Bibliotheken mit dem Ziel, eine nahezu vollständige Sammlung der gedruckten Werke des deutschen Sprach- und Kulturraums aufzubauen. Die beteiligten Bibliotheken sind für einzelne Zeitsegmente verantwortlich, sodass institutionenübergreifend eine Nationalbibliothek entsteht.

Die Staatsbibliothek zu Berlin betreut mit den Erscheinungsjahren 1871 bis 1912 (Noten 1801 bis 1945, Zeitungen und Landkarten 1801 bis 1912) eine Zeit intensiver Buchproduktion. Gesammelt wird unabhängig vom Erscheinungsort alles in deutscher Sprache und zudem alles, was im damaligen Deutschen Reich gedruckt wurde.



Typisch für die Erwerbungen der Staatsbibliothek zu Berlin aus dem Zeitsegment 1871 bis 1912 sind zum Beispiel Erstausgaben naturwissenschaftlich-technischer Werke und zahlreiches Kleinschrifttum wie Firmenschriften, die nur in kleiner Auflage erschienen. Neben belletristischen Werken werden auch Massenprodukte aus dieser Zeit erworben, darunter sogenannte Trivialliteratur. Nicht zuletzt liegt der Fokus auf künstlerischen Drucken, die von den buch- und schriftkünstlerischen Entwicklungen der Epoche zeugen: unter anderem Bücher mit besonderen Einbänden oder Handpressendrucke.


Vogelbilder aus fernen Zonen des Forschungsreisenden Anton Reichenow, 1883. SBB-PK / Fotostelle. CC BY-NC-SA 4.0


Deutscher Volkskalender für Südafrika, hrsg. von G.W. Wagener, 1887-1889. SBB-PK / Fotostelle. CC BY-NC-SA 4.0


Adolph Kohut: Das Weib wie es ist, 1903. SBB-PK / Fotostelle. CC BY-NC-SA 4.0


Karlsbader Sprudelbecher von Luise Feller, ca. 1905. SBB-PK / Fotostelle. CC BY-NC-SA 4.0

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