Eine rätselhafte Widmung

In der Vitrine in der Mitte des Raumes liegt ein Exemplar von Ludwig Richters »Beschauliches und Erbauliches«. Es handelt sich unzweifelhaft um Kafkas Handschrift. Die Widmung lautet:

Als Dank für das schöne Buch, das ich Ihrer gütigen Vergeßlichkeit verdanke, erlaube ich mir Ihnen dieses vielleicht noch schönere Buch zu überreichen, das Sie gewiss zu seiner Zeit auch in irgendeinem passenden Hotelnachttisch liegen zu lassen belieben werden.
Mögen Sie, gutes Fräulein, so fortfahren, Freude zu verbreiten unter uns armen Stubenmädchen.

Die Anna vom Schützenhaus

Karlsbad
19.II 19

Der Band ist aus dem Nachlass von Kafkas Schwester Ottla überliefert. Ort und Datum sind vermutlich Teil des in der Widmung enthaltenen Scherzes, da keiner von beiden im Februar 1919 in Karlsbad war. Allerdings hatte Ottla Kafka ihren Bruder am 9. April 1916 auf einer Dienstreise nach Karlsbad begleitet, und die Ortsangabe sowie die Unterschrift scheinen auf diese Reise anzuspielen: Es gab dort ein Grand-Hotel Schützenhaus, das offenbar in den gemeinsamen Erinnerungen eine Rolle spielte. Vermutlich handelt es sich um einen der zwischen den Geschwistern üblichen Scherze, dessen Hintergrund sich hier ebenso wenig ermitteln lässt wie der tatsächliche Ort und das Datum der Widmung.

A mysterious dedication

Displayed in the centre of the room is a copy of Ludwig Richter’s «Beschauliches und Erbauliches» (Contemplative and Enlightening). It is undoubtedly Kafka’s handwriting. The dedication reads:

As thanks for the beautiful book, which I owe to your kind forgetfulness, I am giving you this perhaps even more beautiful book, which you will certainly leave on some suitable hotel bedside table in due course.
May you, dear young lady, continue to spread joy among us poor housemaids.

Anna from the Schützenhaus

Karlsbad
19.II 19

The book originates from the estate of Kafka’s sister Ottla. The place and date are presumably part of the joke expressed in the dedication, as neither of them was in Karlsbad (Karlovy Vary) in February 1919. However, Ottla Kafka had accompanied her brother on a business trip to Karlsbad on 9 April 1916, and the location and the signature seem to allude to this trip: There was a Grand Hotel Schützenhaus there, which apparently played a role in their shared memories. It is presumably one of the jokes that were common between the siblings, although the meaning remains as unclear as the actual place and date of the dedication.

Das Grand-Hotel Schützenhaus in Karlsbad